Donnerstag, 18. Dezember 1997

Roeder? Schon wieder Roeder?

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Wie soll man/frau über jemanden schreiben, dessen Namen in Marburg schon seit Monaten niemand mehr hören mag?! Damit es noch langweiliger wird, schalten wir also zunächst den Fernseher ein, Erstes Programm am 11. Dezember: "Der Rechtsterrorist Roeder bekommt 1995 sogar eine handschriftliche Parkerlaubnis der Führungsakademie, die PANORAMA vorliegt." Ach so, handschriftlich sogar. Rechtsterrorist? Hören wir dem Wiesbadener Verfassungsschutzspezialisten doch einen Moment zu, bevor wir aus- bzw. umschalten: "Also. Es handelt sich bei Herrn Roeder um den bekanntesten Rechtsterroristen der Bundesrepublik. Es bedarf nicht einmal bestimmter Nachfragen bei den diversen Ämtern, sondern es bedarf nur des Griffs in den Bücherschrank, wenn man denn schon nicht selber Bescheid weiß." Seit dem Uni-Streik wissen wir, daß es überall an Büchern mangelt - aber zumindest in diesem Fall kann dem Problem abgeholfen werden.

Manfred Roeder, Jahrgang 1929, wurde auf einer NAPOLA, also einer NS-Schule für Führernachwuchs erzogen und nahm 16jährig an den "Endkämpfen um Berlin" teil. 1967 wurde er zum Rechtsanwalt zugelassen und trat der CDU bei. 1971 gründete er, zunächst unter dem Namen "Bürgerinitiative gegen moralische und politische Anarchie", die "Deutsche Bürgerinitiative". Die erste Schrift der "Deutschen Bürgerinitiative", "Unser Kampf gegen eine widernatürliche Justiz", die Roeder verfaßte und die die Tätigkeit dieser Bürgerinitiative beschreibt, gab der ehem. KZ-Wächter und Auschwitzleugner Thies Christophersen heraus, für dessen Schrift "Die Auschwitz-Lüge" schrieb Roeder 1973 auch das Vorwort.

1975 ließ sich Roeder als "Reichsverweser in der Nachfolge Dönitz'" auf einer Versammlung der "Freiheitsbewegung Deutsches Reich" wählen. Als Nachfolger von Dönitz dürfte es ja nur allzu verständlich sein, daß Roeder zur illegalen NSDAP Kontakt hielt. So nahm er 1976 an einem Treffen der illegalen NSDAP auf Helgoland teil und 1977 an einem ebensolchen in Trebel. Bekannt wurde seine USA-Reise 1976, auf der er zusammen mit Tom Metzger, dem Begründer des "White Aryan Resistance" (Zentralorgan der US-Naziskins), öffentliche Auftritte durchführte und mit Garry Lauck von der NSDAP-AO Treffen abhielt. 1978 nahm er auf der Flucht vor der deutschen Justiz (die ihn wegen diverser kleiner Vergehen suchte) in Österreich, der Schweiz, Großbritannien, USA, Kanada und Südafrika Kontakt zu diversen Alt- und Neonazis auf.

Illegal reiste er zurück in die BRD und wurde 1980 verhaftet. Zuvor hatte die von ihm gegründete "Deutsche Aktionsgruppe" im Zeitraum vom 21. Februar bis 22. August 1980 insgesamt sieben Sprengstoffanschläge durchgeführt. Unter anderem auf ein von AusländerInnen bewohntes Haus in Hamburg. Bei diesem Anschlag starben am 22.8.1980 zwei Vietnamesen. 1982 wurde Roeder wegen Rädelsführerschaft, Bildung einer terroristischen Vereinigung und Anstiftung zu Brand- und Sprengstoffanschlägen zu 13 Jahren Haft verurteilt und in Stammheim inhaftiert. Dies hinderte ihn allerdings nicht, weiter propagandistisch tätig zu sein. Aus dem Stammheimer Knast heraus veröffentlichte er mit Unterstützung seiner Frau Gertraud - die 1982 den Vorsitz der "Deutschen Bürgerinitiative e.V." von ihm übernahm - NS-Propagandamaterial. Direkt nach der vorzeitigen Haftentlassung 1990 besuchte er den Auswitzleugnerkongreß "Wahrheit macht frei" in München.

Fast zeitgleich mit dem Ende von Roeders Gefängnisaufenthalt tat sich auch in Bonn einiges. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wurde der Zuschuß der Bundesregierung für den "Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA)" im Februar 1990 um 27,5 Mio. Mark erhöht, seine Vorfeldorganisation, die "Arbeitsgemeinschaft Nördliches Ostpreußen (AGNO)" begann mit dem Siedlungsbau für "Rußlanddeutsche", der Organisation von deutschem Schuluntericht, dem Betreiben von Gemeinschaftseinrichtungen und Arbeitsmöglichkeiten für "Rußlanddeutsche" - in "Trakehnen".

Von den Erfolgen der AGNO beeindruckt, fuhr Roeder 1992 zum ersten Mal in den Kaliningradskaja Oblast. Die Eindrücke und Möglichkeiten, die sich einem wie ihm im Oblast boten, veranlaßten ihn, ein Rundschreiben seiner "Deutschen Bürgerinitiative" zu versenden. Unter der Überschrift "Für einen Freistaat Preußen!" beschreibt Roeder seine Zukunftsvision für diese Region. "Lange genug hat man die Möglichkeiten über Nord-Ostpreußen diskutiert. Jetzt besteht die Aussicht, einen Freistaat Preußen zu verwirklichen". "Tausende von Rußlanddeutschen fänden eine neue Heimat, auf uraltem deutschen Siedlungsraum (...); ein deutsch-russisches autonomes Gebiet, oder gar ein zweisprachiger Freistaat, würde ein unübersehbares Zeichen für eine neue europäische Entwicklung sein." Die Betrachtungen seines ersten Besuchs im Oblast schloß Roeder mit der üblichen Bettelei um Spenden und tätiger Mithilfe für seine Projekte. Mit dieser Hilfe könne "dieses Land wieder Heimat für viele Deutsche und ein stabiler Faktor für ein Europa der Vaterländer" werden. "Schaffen wir den Freistaat Preußen!"

Im Februar 1993 gründete er zur Umsetzung seiner Pläne für den Oblast das "Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk - Förderverein Nord-Ostpreußen" und begann sein Engagement im Oblast. Seine Schwerpunkte waren - resp. sind - die Orte Karamyschewo (ehem. Pabbeln) und Gawrilowo (ehem. Gawaiten / während des NS: Herzogsrode). Ein weiteres Engagement Roeders und seines Gemeinschaftswerkes bestand - resp. besteht - in den Orten Osersk (ehem. Angerapp) und Majakowskaoje (ehem. Nemmersdorf).

Die finanziellen Mittel für seine Aktivitäten bestreitet Roeder ebenso wie seinen Lebensunterhalt aus Spenden, die ihm aus aller Welt zufließen. 1994 berichtet Roeder in einem seiner Rundschreiben vom Treffen einer Südafrikanischen Delegation mit dem russischen Faschistenführer Schirinowski, in den Roeder große Hoffnungen setzt. Bei einem Treffen mit Schirinowski sei die Idee des Freistaates positiv verhandelt worden sei. Was Roeder über den unmittelbaren neofaschistischen Zusammenhang hinaus interessant macht, ist der Umstand, daß seine Aktivitäten wie die des VDA und der AGNO mit Aktivitäten der Landsmannschaft Ostpreußen punktuell zusammenfallen.

Seit Ende 1995 ist Roeder wieder verstärkt "unmittelbar" in der BRD aktiv, im Juni 1996 unternimmt er in Erfurt einen Farbanschlag gegen die Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", mit seinen "Thesen zum Lutherjahr" erlangt er Dank einiger hessischer/thüringischer Lokalzeitungen in der Provinz traurige Berühmtheit. Im Frühjahr 1997 kündigt er in einem Flugblatt einen "Plan zum Gegenangriff" zur Marburger Wehrmachtsausstellung an. Und im September/Oktober/November wurde er ja dann auch beinahe zum Dauer"gast" in Marburg. Aber den Teil der Geschichte kennen wir ja alle.

Roeder, der in Schwarzenborn (Schwalm-Eder-Kreis) Besitzer des "Reichshof" ist, wird Marburg wohl erhalten bleiben. Ebenso aber auch Uni-Präsident Schaal, der nicht einmal ein Wort des Protestes ausdrückte, als Roeder am 14. September auf dem Vorplatz des Hörsaalgebäudes "gegen Greulpropaganda" protestierte. Oder Rechts-Prof Gornig, dessen "Spezialgebiet" nicht nur "Volksgruppen, Danzig, Memelland und Preußen" sind, sondern der für die "Unabhänigen Hochschullehrer" auch für den Konvent kandidiert. Oder die Marburger Kameraden der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen", die "zufällig" in den bekannten Burschenhäusern wohnen. Oder der Oberbürgermeister, der einen Roederaufmarsch am Jahrestag des Brandes der Marburger Synagoge genehmigt, weil der 9. November nun einmal ein "doppelter" Gedenktag ist.

Veröffentlicht am Donnerstag den 18. Dezember 1997 um 21:02 Uhr - nach oben | check xhtml
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