Donnerstag, 4. Dezember 2003

Proaktive Esoterik

Eine schmerzlose, mit Hilfe einer toten Katze exerzierbare Methode zur Entfernung von Warzen überlieferte Huckleberry Finn der Nachwelt: "Na, du nimmst deine Katze und gehst auf einen Friedhof, kurz vor Mitternacht, dahin, wo jemand, der ein schlechter Mensch gewesen ist, begraben liegt, und wenn's Mitternacht ist, kommt ein Teufel oder vielleicht auch zwei oder drei; du kannst sie aber nicht sehen, du kannst nur was hören, was klingt wie der Wind, oder vielleicht hörst du sie reden, und wenn sie den Kerl wegholen, schmeißt du deine Katze hinterher und sagst: 'Teufel folg Leiche, Katze folg Teufel, Warzen folgt Katze, ich bin euch los!' Das bringt dir jede Warze weg."

Die von der Hartz-Kommission unter dem Vorsitz von Dr. Peter Hartz ersonnenen Beschwörungsformeln zur Bannung des Gespensts der Arbeitslosigkeit sind nicht weniger obskur, auch wenn sie auf geradezu ekelerregende Weise nach frühem 21. Jahrhundert klingen. "Ein solches Verfahren ist notwendig, damit die Vision sowohl top-down als auch bottom-up als ein gemeinsamer Wegweiser verankert wird und für alle richtungsweisend wirkt", heißt es im Abschlußbericht der Kommission (Dr. Peter Hartz et. al.: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit, Berlin 2002). Und: "Im Zusammenspiel zwischen top-down und bottom-up sind die neuen Rahmenbedingungen zeitnah top-down zu setzen."

Ebensogut hätte Dr. Peter Hartz über der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg bei Vollmond eine tote Katze abwerfen und ihr hinterherrufen können: "Teufel folg verankertem Wegweiser, Katze folg Teufel, Arbeitslose folgt Katze, ich bin euch los!" Doch das hätte nicht so recht in unsere Zeit gepaßt, die ihren aus Steuermitteln finanzierten Hexenmeistern modernere Bannspruchvokabeln abverlangt wie "Innovationsmodule", "Mehraugenprinzip", "Flexibilitätskennziffern", "Cross-Cultural-Management", "BridgeSystem", "Kompetenz-Center", "PersonalServiceAgenturen", "wachstumsdynamische Cluster", "instabile Integrationsorientierung", "unterqualifikatorische Tätigkeiten", "vertiefte Einblicke in praktische Abläufe", "Anstoßung von Großprojekten", "Such-und Matching-Möglichkeiten", "Phasing-out-Mechanismen", "Internet- und CallCenter-basierte Lösungen" oder "die lähmende Ja-Aber-Statik", denn auch die wird von der Hartz-Kommission erwähnt. Nicht zu Vergessen das "Good-Practice-Modell" "Plus-Lohn in Duisburg" und die "aus jeweiligen Eigeninteressen resultierenden "Verschiebebahnhöfe" und das gleichzeitig stattfindende "creaming" bzw. "Nichtbeachten bestimmter Zielgruppen". Den Connaisseuren dieser Art Resopaldeutsch zuliebe hat die Hartz-Kommission nebenher für teuer Geld auch erstmals einen Plural von von "Investitionsbedarf" gebildet ("Investitionsbedarfe").

Vertiefte Einblicke in die praktischen Abläufe der Tätigkeit von Dr. Peter Hartz und seiner lustigen Kommission bieten darüber hinaus die wirren, in den Abschlußbericht gestreuten Grafiken und Piktogramme. In der formschönen "Abbildung 4" ("Kundenstrom-Management") überlappen sich zwei gleichschenkelige Dreiecke. Das eine heißt "Zahl der Arbeitssuchenden", das andere "Betreuungsintensität". Man kann die Abbildung drehen und wenden, wie man will, sie ist und bleibt vollkommen sinnlos. Immerhin sind mit ihrer Fabrikation einige Grafiker eine Zeitlang beschäftigt gewesen und dabei staatlich gefördert und vom Arbeitsmarkt ferngehalten worden. Journalisten empfiehlt die Hartz-Kommission wörtlich, sie sollten regelmäßig "proaktiv über den Umsetzungsstand berichten". Und auch Künstler "können Beschäftigungsaktivitäten und Initiativen publizistisch unterstützen, indem sie ihre Kunst in den Dienst der Arbeitslosigkeit stellen, indem sie z. B. im Rahmen von Benefizveranstaltungen zugunsten des Arbeitsmarktes auftreten" . Die Anstoßung von Großprojekten scheint eine Herzensangelegenheit von Dr. Peter Hartz zu sein. Auf ein proaktives, integrationsorientiertes Cross-Cultural-Plus-Lohn-Benefizkonzert mit wachstumsdynamischen Clustern von Janosch, BAP, Stockhausen und Botho Strauß hat der dahindämmemde Arbeitsmarkt seit längerem gewartet. Und wie man hört, trägt Dr. Peter Hartz zur Zeit in Wolfenbüttel eigenhändig und im Schweiße seines Angesichts den letzten aus Eigeninteresse resultierenden Verschiebebahnhof ab. Für einen Hexenmeister mag das eine unterqualifikatorische Tätigkeit sein, doch es ist ein großer Schritt für die Menschheit.

Gerhard Henschel

Hartz: 'Kundenstrom-management'
Abb. aus dem Bericht der Hartz-Kommision

(Quelle: Konkret 12/2003)

Veröffentlicht am Donnerstag den 4. Dezember 2003 um 22:48 Uhr - nach oben | check xhtml
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