Veranstaltung des Marburger Bündnis gegen IG Farben mit der gruppe offene rechnungen (Berlin) am Dienstag den 23. März 2004 um 20.30 Uhr im Cafe am Grün in Marburg mit den ReferentInnen Dorothee Wein und Tobias Ebbrecht.
Rudy Kennedy überlebte die Arbeit für IG Farben in den Bunawerken von Auschwitz III. Sein Vater wurde dort - wie von den Deutschen intendiert - durch Arbeit vernichtet. In den Mittelwerken in Dora wurde Rudy Kennedy gezwungen, unter permanenter Todesdrohung für Volkswagen zu arbeiten. Er ist Mitbegründer des Verbandes "Claims for Jewish Slave-Labour Compensation". Als final insult, die abschließende und letzte Beleidigung nach einer quälenden Geschichte, bezeichnete Rudy Kennedy die deutsche "Entschädigungslösung".
Beinahe täglich lassen sich - so man denn will - noch immer Schreckensmeldungen aus der deutschen "Entschädigungsstiftung" "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" lesen. Die Arroganz, mit der die Deutschen ihren ehemaligen Opfern ein Almosen gewährten, setzt sich fort in immer neuen Torturen, denen die Antragsteller unterworfen werden. Ob den bisher Anspruchsberechtigten überhaupt die volle Summe ausgezahlt wird, steht in den Sternen. Das Buch "The final Insult - Das Diktat gegen die Überlebenden" von der Berliner gruppe offene rechnungen über "Deutsche Erinnerungsabwehr und Nichtentschädigung der NS-Sklavenarbeit" (ISBN: 3-89771-417-5) geht auf eine Veranstaltungsreihe mit dem selben Titel im Oktober 2001 in Berlin zurück. Im Mittelpunkt stehen Gespräche mit und Erinnerungen von drei überlebenden Sklavenarbeitern - Rudy Kennedy aus London, Ludwik Krasucki aus Warschau und Felix Kolmer aus Prag. Sie berichten sowohl über ihre Erfahrungen als Sklavenarbeiter für deutsche Firmen in Auschwitz-Monowitz, Stutthoff und anderen Lagern, als auch über den Umgang der deutschen Delegation mit den Vertretern der Opfer bei den sogenannten Entschädigungsverhandlungen. Eindrucksvoll schildern sie die Probleme des Fonds, die Arroganz der Deutschen, das Wiederaufleben der Erinnerungen und ihre Einschätzungen für die Zukunft. Besonders in den Gesprächen, die die HerausgeberInnen geführt haben, werden aber auch viele weitergehende Fragen angesprochen: Wie kann die Erinnerung weitergetragen werden?
Hier das Einladungsflugblatt des Marburger Bündnis gegen IG Farben:
Veröffentlicht am Sonntag den 21. März 2004 um 01:05 Uhr - nach oben | check xhtml
Veranstaltung mit der gruppe offene rechnungen / Berlin
Dienstag 23.3.04 20.30 Uhr im Cafe am Grün, Am Grün 28
ReferentInnen: Dorothee Wein, Tobias Ebbrecht
Veranstalter: Marburger Bündnis gegen IG FarbenJeden Pfennig, den der deutsche Staat und die deutsche Industrie an die Überlebenden Zwangs- und Sklavenarbeiter gezahlt haben, ist von den überlebenden des Nationalsozialismus und ihren Unterstützern erkämpft worden. Um die Ansprüche an Naziprofiteure endgültig abzuwehren, wurde die Stiftung mit dem zynischen Namen "Erinnerung Verantwortung und Zukunft" eingerichtet. Sie ist der heiß ersehnte Schlußstrich unter die materiellen Forderungen von Überlebenden.
Den Nachkrieg führten die deutschen Täter unerbittlich: Die Gewinne, die Häuser, die Kunstwerke aber auch das Recht, die Geschichte und die Erinnerung sollte den Tätern gehören. In Deutschland ist ihnen das weitgehend gelungen. Die Täter führten ein gutes Leben, wurden alt und nicht von Schuldgefühlen geplagt. Das deutsche Recht auf eine schöne Jugend im NS, die Deutungshoheit über Auschwitz und sogar die Definitionsmacht über das Gedenken haben sich die ganzen Scharpings, Walsers, Knopps, usw und ein Heer an willigem Expertenfußvolk angeeignet.
Vor kurzem konnte auch die IG-Farben in Auflösung den Nachkrieg für gewonnen erklären. Nachdem die eigentlichen Nachfolgefirmen des Nazikonzerns IG-Farben, Bayer, Hoechst, BASF und andere, das "Abwicklungsunternehmen" IGF in Auflösung nicht mehr als Schutzschild vor möglichen Klagen benötigten, wurde der Konzern absichtlich heruntergewirtschaftet. Um zu vermeiden, daß die Überlebenden der deutschen Konzentrationslager, deren Freunde und Angehörige mit dem Gas des IG-Tochterunternehmens Degesch ermordet wurden, und die ehemaligen Häftlinge des firmeneigenen Konzentrationslagers der IG- Farben, Auschwitz Monowitz, einwenig Geld bekommen, gründete die IG Farben eine mit einer lächerlichen Summe ausgestattet Stiftung zur angeblichen Entschädigung und löste sich auf. Nun versuchen die ehemaligen Aktionäre mit Hilfe der Stiftung, die in den gleichen Händen liegt wie vorher die IGF, an Gelder in der Schweiz heranzukommen. Immer ein Modell für deutsche Abwehr und Entschädigungsverweigerung und sogenanntes Wirtschaftswunder, sind die IG-Farben es auch in Unverschämtheit und Zynismus: Überlebende, die von den Aktionären und Liquidatoren immer bekämpft wurden, wurden aufgefordert, nun der Nazistiftung zu helfen, an Vermögen, das eventuell Ende des Krieges in die Schweiz transferiert wurde, zu gelangen. Es sei ja, argumentierten die Naziaktionäre, im gemeinsamen Interesse, weil ohne die Schweizer Milliarden eben auch kein Geld für mögliche Zahlungen an Überlebende vorhanden wäre.
Die IG-Farben waren schon immer Vorreiter in Sachen Schuldabwehr und nun haben sie im Kleinen praktiziert, was die deutsche Seite gleich mit zwei zynischen Titeln belegte, nämlich mit "Entschädigung" und "Verhandlungen". Am Ende stand das Diktat gegen die Überlebenden. Rudy Kennedy, Überlebender von Auschwitz Monowitz, der maßgeblich für das Zustandekommen der Sammelklagen gesorgt hat, kommentierte den Abschluß dieser "Verhandlungen" mit den Worten: "The final insult".
Die Debatte um Entschädigung scheint vorbei, was bleibt ist das deutsche Modell des "Wirtschaftswunders" und die dazugehörige Naziideologie.
Die Gruppe offene rechnungen dokumentiert in dem, nach Rudy Kennedys Kommentar benannten Buch "the final insult. Das Diktat gegen die Uberlebenden", eine Reihe von Veranstaltungen und Interviews mit Rudy Kennedy, Ludwick Krasucki und Felix Kolmer, Überlebende, die für die Entschädigung gekämpft haben, zum Teil direkt an den Verhandlungen teilgenommen haben und die mit den Erpressungen' der deutschen Seite konfrontiert waren.
In der Veranstaltung soll das Buch vorgestellt werden und die jetzige Schlußstrichvariante der IG Farben dargestellt werden
Marburger Bündnis gegen IG-Farben, buendnis-gegen-igf-mr@gmx.net